Tschüß Coach

An diesem Samstag wird Coach Hotte Pöhl die Mannschaft in seinem insgesamt 99. Pflichtspiel zum vorerst letzten Mal an der Seitenlinie begleiten. Vor knapp 4 Jahren mit der Mission gestartet, das Team alsbald zurück in die vierte Liga zu führen, prägte der vom BFC Preussen zu uns gestoßene Übungsleiter eine schließlich erfolgreiche Ära. Wir wollen uns die Zeit nehmen und in den nachfolgenden Zeilen einen kleinen Rückblick auf die abgelaufenen Spielzeiten werfen.
Hotte übernahm das Team im Sommer 2014 direkt nach dem Abstieg aus der Oberliga Ostsee Spree und dem damit verbundenen personellen Umbruch. Während die Riege der verdienten alten Männer mit Ausnahme von Basti Viehstädt geschlossen zurücktrat, galt es zunächst gleich ein ganzes Dutzend Neuzugänge und den verbliebenen Rest zu einer erfolgreichen Mannschaft zu formen. Der Kader platzte zwar fast vor lauter individueller Qualität, an der funktionierenden Einheit aber musste lange getüftelt werden. Speziell gegen vermeintlich schwächere Gegner lief das Team dem eigenen Anspruch oft meilenweit hinterher. Gegen die beiden späteren Aufsteiger Preussen und Lichtenrade setzte es jeweils zwei deutliche Niederlagen. Am Ende stand ein 20:24 Punktebilanz zu Buche und die Erkenntnis, dass alle Qualität auch nichts nützt, wenn man nicht bereit ist, erst einmal ordentlich zu malochen.
Die Umsetzung dieser Erkenntnis freilich ist leichter gesagt als getan. Die nachfolgende Spielzeit gestaltete sich, als hätte man sie nach der Schablone des Vorjahres gezeichnet. Besonders das Herschenken von klar einkalkulierten Punkten entwickelte sich schleichend zum signature move des Teams. 9:7 lautete die Bilanz nach Punkten gegen jene vier Teams, die am Ende das letzte Tabellendrittel bildeten. Die Mannschaft hatte zwar einen klaren Schritt nach vorne gemacht und schlug unter anderem den späteren Meister und Vizemeister jeweils vor heimischem Publikum. Die alten Muster aber wollten sich noch nicht ganz abschütteln lassen und so endete ein Spieljahr, indem man zeitweise gar um den Klassenverbleib zittern musste, erneut mit 20:24 Punkten.
Hotte indes hatte seine Fühler auch fernab der eigenen Mannschaft innerhalb der damaligen SG ausgestreckt und insbesondere engere Kontakte an den oberen Jugendbereich und die zweite Männermannschaft geflochten. Arbeit, deren Früchte ab der dritten Spielzeit unter seiner Ägide geerntet werden konnten. Dem großen personellen Umbruch des Sommers 2014 folgte 2016 ein kleinerer und deutlich leiserer. Der schrittweise Abgang großer individueller Qualität wurde von nun an mit den aufrückenden A Jugendlichen der Jahrgänge ´97 und ´98 aufgewogen. Fünf dieser Jungs sind heute fester Bestandteil der diesjährigen Aufstiegsmannschaft. Die jungen, selbstausgebildeten Spieler verstanden es vor allem, ihr eigenes Ego hinter der Entwicklung des Teams anzustellen und mit Engagement und Trainingsfleiß Druck auf die etablierteren Kräfte aufzubauen. Nach dem Umbruch von vor vier Jahren können wir mit insgesamt 9 Spielern, die das blau weiße Trikot bereits in ihrer Jugendzeit trugen, behaupten, wieder zurück auf den Weg gefunden zu haben, den wir auch in Zukunft weiter gehen wollen.
Das deutlich verjüngte Team brauchte einige Zeit, um sich zusammen zu finden und zündete im Dezember schließlich den Turbo. Nach einer deutlichen Heimniederlage gegen Rudow am 9. Spieltag wies das Punktekonto noch magere 6:12 aus. Aus den verbleibenden 13 Spielen holten wir 23:3. Wir hatten zwar immer noch nicht wirklich gelernt die vermeintlichen Pflichtsiege in Regelmäßigkeit einzutüten aber immerhin Kampf und Wille wurden nun regelmäßig mit aufs Parkett geführt. Exemplarisch dafür steht das Rückrundenspiel gegen den Aufsteiger aus Köpenick, bei dem wir zum Pausenpfiff nach Totalausfall bereits 19:11 zurücklagen. Statt nun aber, wie in der Vergangenheit so oft, völlig auseinanderzubrechen, berappelte sich das Team und gewann am Ende noch 27:32.
Mit diesmal lediglich 4 Punkten Rückstand auf den Berliner Meister aus Spandau, der im Heimspiel erneut bezwungen werden konnte, beschlossen wir das Spieljahr mit 29:15 Punkten auf dem vierten Rang.
Heute, ein Jahr später, wissen wir bereits vor Anpfiff gegen den BSV, dass unsere 28 Punkte auf der Habenseite für den zweiten Tabellenplatz und den damit verbundenen Aufstieg ausreichen. Das Finale dieses Aufstiegskampfes bot dann nochmal eine Achterbahn der Gefühle. Nachdem wir nach einem sicherlich nicht guten Spiel unsererseits gegen die kampfstarken Gastgeber vom PSV den ersten Matchball vergeben hatten, herrschte in der Kabine zunächst Totenstille – bis schließlich jemand auf sein Handy blickte und vermeldete, dass der BTV und Lichtenrade ihrerseits ihre Spiele verloren hatten. Wir hätten dem Coach auf der Zielgerade seiner Mission sicherlich einen emotionalen Abschied ohne diesen Eiertanz gewünscht. Wahrscheinlich spiegelt aber gerade der vergangene Sonntag die Achterbahnfahrt der letzten vier Spielzeiten am besten wider und bildet genau die Pointe, die man sich nicht besser hätte ausdenken können. Trotz der Niederlage kam das Team noch in den Feiermodus und ertränkte den Rest des Abends in reichlich Gerstensaft und andere korngesunde Alkoholika (Zitat: „..der Nachtbus fuhr schon“).
Als ich zu Jahresbeginn von Hottes Rücktritt zum Saisonende erfuhr, war einer meiner ersten Gedanken: Das trifft uns wenigstens ein Jahr zu früh – völlig unabhängig davon, dass jeder im Verein seine Beweggründe versteht und ihm für die Zukunft nur das Beste wünscht. Zu sehr sahen wir uns im Jahr eins nach den kraftraubenden Querelen um das Ende unserer Spielgemeinschaft endlich wieder auf den sportlich richtigen Weg eingebogen, als dass der Wechsel auf der vielleicht wichtigsten Funktionsstelle im Verein nun in den Plan passte. Damals war die Möglichkeit, die Saison mit einem Aufstieg zu beenden noch in weiter Ferne. Heute kann man vielleicht sagen, dass sich alles ziemlich gut gefügt hat. Das blau weiße Kapitel endet für Hotte mit genau jenem Erfolg, für den er einst angetreten war, wenngleich es sicher ein wenig kurios daherkommt, dass unser Aufstiegstrainer in der nächsten Spielzeit mindestens zwei Mal auf des Gegners Bank Platz nehmen wird.
Neben der Rückkehr in die Oberliga wollen wir abschließend noch ein paar Erfolge benennen, die unter Hottes Regentschaft zusammenkamen und für den Außenstehenden möglicherweise weniger sichtbar sind:
Die erste Herrenmannschaft ist nach innen so gut in den Verein integriert wie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr.
Dass etwa Team und Trainer nach einem Auswärtsspiel noch in die Halle kommen, um eine Kreisligameisterschaft der zweiten und dritten Mannschaft zu feiern, wäre vor einigen Jahren schlicht noch undenkbar gewesen, in der die Erste stets Staat im Staat war. Analog dazu waren sich unsere Verbandsligaspieler nie zu schade, ihre Spielzeiten auch in der Kreisliga zu bekommen, wenn dort Not am Mann war oder in der ersten Mannschaft Überangebot herrschte.
„Einmal Blau-Weisser, immer Blau-Weisser“ ist mehr als nur eine hohle Phrase.
Während der vier Jahre, in denen Hotte das Zepter in der Hand hielt, verließ lediglich ein einziger Spieler unseren Kader in Richtung der direkten Konkurrenz (Torsteher Sven Beulker, heute und zuvor: OSF2). Alle anderen Ehemaligen verließen entweder die Stadt gänzlich, beendeten ihre sportliche Laufbahn oder rückten in die alten Herren auf. Demgegenüber stehen in unserem 19er Kader heute 8 ehemalige A-Jugendliche oder Spieler der zweiten Mannschaft, die unter Hotte zum festen Bestandteil der ersten Männer wurden. Diese personelle Kontinuität ist auf diesem Niveau inzwischen alles andere als selbstverständlich.
Viel Training hilft viel.
Nicht nur der hohe zeitliche Aufwand von drei (bzw. vier während der Vorbereitung) Einheiten pro Woche war, soweit ich zurückblicken kann, immer (und auch schon vor Hotte) obligatorisch in unserer ersten Herrenmannschaft. Dass diese Einheiten speziell im spielfreien Sommer nicht selten ganz ohne das beliebte Spielgerät zwischen den Händen stattfanden, musste erst mühsam seine Akzeptanz finden. In den schwächeren Phasen wurde es gerne auch als Ausrede angeführt, man fühle sich spielerisch nicht ausreichend auf die Saison vorbereitet. Vielleicht ist da sogar etwas dran, speziell Saisonstarts lagen uns in den vergangenen 4 Spielzeiten nicht. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht, dass kein Team in der Liga inzwischen ein höheres Tempo fahren kann als wir und das wir es trotz ausbaubarer Quote auf den torgefährlichsten (weil lauffreudigsten) Angriff bringen. Dazu kommt, dass wir von muskulären Verletzungen nahezu verschont bleiben in einer Liga, die nicht für fehlende Härte bekannt ist.
Und last but not least – Hotte mag den Verein verlassen aber seine Idee von Handball und seine enorm hohe, trainingsdidaktische Kompetenz werden bleiben. Inzwischen werden die Mannschaften m2, m3, mA, mB und mD von Spielern (mit-)betreut, die selbst über Jahre durch die Pöhlsche Handballschule gegangen sind und durch sie nachhaltig geprägt wurden. Ein bisschen Hotte steckt in jeder derer Trainingseinheiten, jeder derer geworfenen und verhinderten Tore, jeder derer Siege und Erfolge. Vor viereinhalb Jahren war es für ihn noch weitestgehend undenkbar einmal Trainer im Tempelhofer Norden zu werden. Heute hinterlässt er ebenda einen Stempelabdruck, der sich noch viele Jahre unverwischbar bleiben wird.
Natürlich sind alle diese Erfolge und noch mehr ebenso jenen zuzuschreiben, die den Weg gemeinsam mit ihm beschritten haben, allen voran Co-Trainer Paule Witt und Physio sowie Athletiktrainer Matze Maaß, dem Mannschaftsrat samt Captain, den rund herum emsig wuselnden Helfern und Funktionären aber die bekommen ihre eigene Eloge, wenn sie in hoffentlich ferner Zukunft irgendwann ihren Hut nehmen.
Lieber Hotte, vielen Dank für die vergangenen vier Jahre, für alles, was wir von dir lernen durften, für deine Geduld mit dem blau weißen Wahnsinn und dafür, dass du uns auch in den unruhigen Gewässern der SG-Trennung immer die Treue gehalten hast. Für die nächsten Kapitel, sportlich wie privat wünschen wir dir nur das Beste (außer freilich im direkten Vergleich!).
Prost Coach und bis bald.